Anregungen zum Umgang mit introvertierten Schülerinnen und Schülern
Mit Formulierungen und Buchtiteln wie „Still und Stark“, „Überzeugend leise“ oder (im englischsprachigen Raum) „Quiet revolution“ wird in den letzten Jahren zunehmend für die Stärken introvertierter Schülerinnen und Schüler sensibilisiert.

Grafik: https://ideas.ted.com/how-to-teach-a-young-introvert/
Im Folgenden finden Sie einige Hinweise und Beispiele,
- wie Lehrkräfte den Bedürfnissen Introvertierter gerecht werden können und
- dazu beitragen können, deren Leistungsfähigkeit und Beiträge zum Unterricht besser zur Geltung kommen zu lassen.
Möglichkeiten der engagierten Unterrichtsbeteiligung für introvertierte Schüler/innen:
Wer sich nicht traut, sich aktiv mit mündlichen Beiträgen vor der ganzen Gruppe am Unterricht zu beteiligen, nimmt vielleicht folgende Möglichkeiten der Unterrichtsbeteiligung an:
- Recherchen übernehmen
- Ergebnisse schriftlich zusammenfassen
- Protokolle schreiben
- Hausaufgaben vorlesen/vorlegen
- Schriftliche Beiträge
- Brain-Writing in der Gruppenarbeit: jedes Gruppenmitglied schreibt eine Idee auf ein Post-it
- Partnerarbeit/4-Augen-Gespräche zu einem Thema
- erst Nachdenkzeit, dann Partneraustausch, dann Gruppengespräch (think-pair-share)
hier der Link zur Beschreibung dieser Methode:
http://www.bpb.de/lernen/grafstat/grafstat-bundestagswahl-2013/148908/think-pair-share
Wer sich nicht traut, spontan vor der ganzen Klasse eine eigene Meinung zu vertreten, profitiert womöglich davon:
- einen vorbereiteten Beitrag zum Thema vortragen zu dürfen
- die Meinung anderer (nicht die eigene) widergeben zu dürfen, z.B. nach der Partnerarbeit
Nähere Informationen zum Modell der engagierten Unterrichtsbeteiligung und deren Methoden finden Sie unter folgenden Links:
https://www.huffingtonpost.de/2016/03/19/schule-umgang-stille-kinder_n_9504528.html
https://www.ted.com/talks/susan_cain_the_power_of_introverts?language=de#t-1124705
https://www.quietrev.com/wp-content/uploads/2018/03/Quiet-Student-Engagement-Rubric.pdf
https://www.quietrev.com/
Bewertung mündlicher Mitarbeit:
Nach dem hessischen Schulgesetz (zweiter Abschnitt, Leistungsbewertung § 73) sind Grundlage der Leistungsbewertung mündliche, schriftliche, praktische und sonstige Leistungen, die Schüler/innen im Zusammenhang mit dem Unterricht erbracht haben.
Neben der Quantität mündlicher Beiträge (Kontingenz, Häufigkeit, Freiwilligkeit) im Unterricht sind weitere mögliche Kriterien der Bewertung mündlicher Leistungen:
Qualität der Beiträge
- fachliche Kenntnisse,
- Verwendung korrekter Fachsprache
- Bedeutung der Beiträge für den Fortgang des Unterrichts
- Kreativität
- Differenziertheit
Gesprächsfähigkeit
- Gutes Zuhören (Aufmerksamkeit, Konzentration)
- Gute Fragen stellen
- Eingehen auf Beiträge anderer
- Gute Kooperation mit anderen
- Einhaltung von Gesprächsregeln
Berkemeyer und Spiegel (2014) differenzieren die Teilkompetenzen:
zuhören, argumentieren, moderieren.
Beschreibung der Stärken und Beiträge introvertierter Schülerinnen und Schüler:
Beispiele für Formulierungen
A schätzt es, wenn sie sich gedanklich vorbereiten kann, bevor sie vor und mit der Gruppe spricht.
B bereichert die Themenstellungen mit klugen Fragen.
C bereitet sich gern zuhause auf die Unterrichtsthemen vor, bevor sie sich dazu einbringt.
D trägt gern mit schriftlichen Kommentaren zu Gruppenarbeiten und Themen bei.
E fasst gern Beiträge anderer zusammen oder fragt nach.
F ist ein nachdenklicher Schüler.
Z bringt wohlüberlegte Beiträge und urteilt/entscheidet erst nach reiflicher Überlegung.
Y durchdenkt Themen gründlich und wägt sorgfältig ab, bevor er seine Gedanken mit anderen teilt.
X drückt sich gewählt und durchdacht aus.
L gelingt es, sich intensiv mit Themen auseinanderzusetzen und gute Lösungen zu finden.
M wendet unterschiedliche Lösungsansätze an.
N befasst sich ausdauernd mit Themen und Langzeitprojekten.
O findet eigenständige Lösungen.
P setzt sich ernsthaft mit Themen und Anliegen auseinander.
Q arbeitet sorgfältig, achtet auf Details.
T hört anderen gut zu und integriert deren Beiträge.
U beeinflusst das Klassenklima durch sein ruhiges Auftreten/Verhalten positiv.
V versteht es, verschiedene Perspektiven einzunehmen und trägt so zu fairen Konfliktlösungen bei.
W wird gern als Teampartnerin ausgewählt.
Ähnliche und weitere englischsprachige Beispiele finden Sie unter:
https://www.quietrev.com/wp-content/uploads/2018/03/Quiet-Friendly-Comments.pdf
Literatur:
Allgemein:
Susan Cain, Still und Stark, Die Kraft introvertierter Kinder und Jugendlicher, Goldmann Verlag 2017
Chris Wolf, Überzeugend leise, Wie stille Menschen ihre Stärken wirkungsvoll nutzen, Business Village GmbH (2014) (Dieses Buch bezieht sich auf erwachsene Introvertierte.)
Rechtliche Grundlagen:
Hessisches Schulgesetz:
https://zaa.schule.hessen.de/gesetz/2011_09_27_Schlussfassung_Amtsblatt_19-8-11.pdf
Verordnung zur Gestaltung des Schulverhältnisses vom 19.8.2011
https://kultusministerium.hessen.de/sites/default/files/media/lesefassung_schulgesetz_mit_inhaltsverzeichnis_stand_30-6-17_nicht_amtliche_lesefassung_0.pdf
Pädagogische Fachliteratur:
Berkemeier, A. & Spiegel, C. (2014). In der Schule Gesprächsfähigkeit fordern und fördern: Moderieren –Argumentieren –Zuhören.
In: Grundler, E. & Spiegel, C. (Hrsg.) Konzeptionen des Mündlichen. Wissenschaftliche Perspektiven und didaktische Konsequenzen. Symposion Deutschdidaktik (Mündlichkeit, Bd. 3). Bern, S. 120-142.
https://www.zg.ch/behoerden/...fur.../konzeptionen...grundler-spiegel.../download
zusammengestellt von Dorothee Götz-Töpfer, Beratungsstelle des Schwalm-Eder-Kreises